Leif Randt: Chatten und spazieren gehen
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In Hessen scheint jetzt jeden Tag die Sonne. Meine Mutter macht sich Sorgen um den Garten, sie sagt, es müsse dringend regnen, außerdem sei dieses blendend schöne Wetter der blanke Hohn, es behaupte eine Idylle, die momentan einfach nicht passe. „Das ist die Kalifornisierung“, sage ich. Wenn ich gut gelaunt nach draußen gehe, kommen mir auch die anderen gut gelaunt vor. In den Supermärkten habe ich das Gefühl, dass viele Bürgerinnen und Bürger aufblühen. Als wüssten sie zum allerersten Mal, was zu tun ist. Eine Freundin schickt eine Sprachnachricht, in der sie sagt: „Mir geht es erstaunlicherweise richtig, richtig gut.“ Sie habe das Gefühl, nach zehn Jahren ihre Depression final zu überwinden. Einem Freund schreibe ich: „Gerade neuer Turn: alle ganz mysteriös gut gelaunt.“ Er antwortet: „Wahrscheinlich sind Hormone mittlerweile im Leitungswasser.“ Aber das ist alter Zynismus, er meint das nicht so, in Wahrheit ist auch er vergleichsweise happy.
Leif Randt, geboren 1983 in Frankfurt a. M., schreibt vorwiegend Prosa. Bereits erschienen sind die „Utopien Planet Magnon“ (2015), „Schimmernder Dunst über CobyCounty“ (2011) und der London-Roman „Leuchtspielhaus“ (2009). Seit 2017 co¬kuratiert er das PDF¬ und Video¬Label „tegelmedia.net“.