Florian Werner: Der Stuttgart Komplex
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Wutbürger und ökologische Transformation, Querdenkerinnen und Willkommenskultur. So wie Athen der Inbegriff der antiken Demokratie war und Manchester die Schlüsselmetropole des modernen Industriekapitalismus, ist Stuttgart jene Stadt, die offenbar emblematisch für Deutschland am Beginn des dritten Jahrtausends steht. Hier führt mit Winfried Kretschmann der erste grüne Ministerpräsident eine ökologisch-christdemokratische Koalition. Hier ist fast jeder Fünfte in der Automobilindustrie beschäftigt, die Region ist von den bevorstehenden Transformationen der Arbeitswelt daher besonders betroffen. Hier erschüttert das Bahnhofsneubauprojekt »Stuttgart 21« nicht nur den Boden unter dem Stadtzentrum, sondern auch den Zusammenhalt der Stadtgesellschaft. Und hier ist im Laufe der Corona-Pandemie eine postmoderne Protestbewegung entstanden, die ihren Unmut mit schwäbischer Gründlichkeit bis in die Bundeshauptstadt exportiert. Man könnte meinen, der berühmte Stuttgarter Talkessel sei in Wirklichkeit eine riesige Petrischale: Was hier keimt, wird demnächst auch im Rest der Republik virulent werden, so Florian Werners These, die sich aus tiefer Kenntnis speist, ist er doch selbst in Sillenbuch groß geworden. 2007 wurde er mit einer Arbeit über Rap und Apokalypse promoviert; er schreibt Sachbücher und Prosa, arbeitet für den Hörfunk – und lebt mit seiner Familie in Berlin.