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29.1.2020

Nora Bossong: Schutzzone

Veranstaltungsdaten

Dabei habe er seine Sehnsucht nach Kriegen nie ganz aufgegeben, sagte Milan und fügte hinzu, er wünsche natürlich keine Kriege, nur wünsche er sich an die Orte, an denen diese Kriege ja dennoch stattfänden, er halte es einfach schwer aus, hier am Schreibtisch die Berichte und Zahlen zu lesen und doch kaum etwas anderes tun zu können, als sie abzunicken und weiterzureichen.

Nora Bossong

Nach Stationen bei der UN in New York und Burundi arbeitet Mira für das Büro der Vereinten Nationen in Genf. Während sie tagsüber Berichte über Krisenregionen und Friedensmaßnahmen schreibt, eilt sie abends durch die Gänge der Luxushotels, um zwischen verfeindeten Staatsvertretern zu vermitteln. Bei einem Empfang begegnet sie Milan wieder, in dessen Familie sie nach der Trennung ihrer Eltern im Frühjahr 94 einige Monate gelebt hat. Die Erinnerungen an diese Zeit, aber auch Milans unentschiedene Haltung zwischen gesuchter Nähe und schroffer Zurückweisung überrumpeln und faszinieren sie zugleich. Als ihre Rolle bei der Aufarbeitung des Völkermords in Burundi hinterfragt wird, gerät auch Miras Souveränität ins Wanken, ihr Glaube, sie könne von außen eingreifen, ohne selbst schuldig zu werden. Nora Bossong, 1982 in Bremen geboren, schreibt Lyrik, Romane und Essays, für die sie unter anderem mit dem Peter-Huchel-Preis ausgezeichnet wurde. Zuletzt erschien im Hanser Verlag ihr Gedichtband „Kreuzzug mit Hund“ (2018).