Klaus Theweleit: Königstöchter: Mythenbildung vorhomerisch, amerikanisch
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Im Gespräch mit Wolfgang Schorlau stellt Klaus Theweleit das neu erschienene „Buch der Königstöchter“ vor, mit dem er sein Pocahontas-Projekt weiterschreibt: »Am Anfang war die Einwanderung. Am Anfang von was? Am Anfang von dem, was wir heute „Europa“ nennen. So ca. 2000 Jahre v. u. Z. (-2000) wandern verstärkt und in mehreren „Wellen“ Indogermanen von Nordosten her in die Gebiete ein, die wir heute als „Griechenland“ kennen. […] Die „Griechen“ entwickelten dabei eine besondere Kunst der Erzählung (bzw. des Gesangs); Formen, die wir heute als „Mythos“ bezeichnen. Erste Funktion dieser Mythos-Erzählungen war es, die eigenen (Un)Taten zu verschönern; auf deutsch (bzw. griechisch): die eigenen Taten der Landnahme als Taten von Göttern und Titanen zu besingen – ein Dreh, aus dem Worte wie „Genie“ und „genial“ sich gebären ließen. Der historisch- alte Grieche fühlt sich als göttlich (so wie heute jeder durchschnittliche Amerikaner). (Und jeder durchschnittliche eurasiatische I-pod-Besitzer wahrscheinlich auch. I-pod = I-god). Zur Landname braucht man Medien (nicht nur das Pferd, auf dem Mann reitet). Das Medium, das die „Griechen“ wählen, ist der Körper von Königstöchtern; Töchtern der einheimischen Lokalherrscher, die von den Göttern der Griechen (insbesondere Zeus, Poseidon, Apoll) beschlafen (= vergewaltigt) werden. […] Die Schrift-Heroen Hesiod und Homer stehen nicht – wie heutige Medienlegende will – am Anfang einer neuen Großkultur (der unseren); sie bilden zunächst einmal einen Endpunkt: sie schreiben auf (mit der neuen Medientechnologie des griechischen Vokalalphabets), was in den 1000 Jahren, die hinter ihnen liegen, griechische Einwanderer sich ausgedacht, erzählt bzw. gesungen haben.«