Friederike Roth: Abendlandnovelle
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»Es gibt bei Friederike Roth die Magie der Wörter. Hier findet die Verwandlung statt, die ich so oft bei anderen Texten vermisse, die Verwandlung der Welt, die Beschwörung von Liebe, Tod. Die Anfälle von Hoffnung. Und immer wieder den Schrecken dazwischen. Eine Dichterin.« – schreibt Siegfried Unseld in sein Tagebuch. Mit „Abendlandnovelle“ (Suhrkamp 2010) setzt Friederike Roth eine Zäsur: Sie setzt neu an. Und zugleich thematisiert das Buch diesen Neubeginn, denn es handelt vom Wagnis, einen Anfang zu setzen im klaren Bewusstsein, dass jeder Anfang sein Ende immer schon mit sich führt, dass der erste Satz eines Textes zwangsläufig mit dem letzten Satz endet: »Im endlosen Anfangsgewirbel / dem riesigen Reservat aller Aufbruchsvisionen / aller Optionen auf alles / auf denkbar und undenkbar Mögliches / das bodenlose Entsetzen: / der einmal gemachte Schritt / verdirbt jeden anderen.« Zwischen Anfang und Ende tauchen die ewig alten Fragen auf, »die handeln von Gott und der Welt / und dem Tod und der Liebe / von Leben Kunst Geld.« Und was, wenn alle zwischen Anfang und Ende ausgespannten, ausgebreiteten, ausgemärten Geschichten, alle Lebens- und Textgeschichten, sich als Wiederholungen in endlosen Variationen erweisen? Wenn das Wagnis zum Schrecken wird vor den bekannten Zwangsläufigkeiten von Ereignisketten, vor deren Ende man vielleicht doch lieber stumm bliebe? »War immer schon / Zerstörung und Rekonstruktion / und Neukonstruktion und wieder Zerstörung / Menschenhandwerk, warum taugt es dann auch / für üppig nutzlose Schönheit?« Wäre da nicht eben doch »eine Ahnung von Gelungenheit ohne Bedrohung … etwas wie blauer Himmel«, das uns mit unseren Sätzen weitertreibt dorthin, wo aber wieder »alle auf alle treffen«, wo Väter schreien, Mütter weinen, jeder jeden kennt und man sich doch ganz und gar fremd ist: »Nie wollte man dahin kommen / nie, und ist eben doch / immer schon mittendrin«.