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15.1.2021

Anna Bers, Ulrike Draesner: Frauen | Lyrik

Veranstaltungsdaten

Allein diese Komposition eröffnet ganz neue Blicke auf die Lyrikgeschichte: Sie ruft Traditionen auf, unterläuft aber gleichzeitig problematische Mechanismen von Kanonisierung und Wertung.

Insa Wilke, Deutschlandfunk Kultur

Der Gedanke, eine Überblicksgedichtsammlung von Männern herauszugeben, ist absurd, indes zeigt der Blick auf dichtende Frauen einmal mehr, was lange Zeit kaum sichtbar war: Über 500 Gedichte von und über Frauen versammelt der Band, erschienen 2020 im Reclam Verlag. Dieser Band indes geht in seiner Struktur über Fragen von (Un-)Sichtbarkeiten deutlich hinaus: So präsentiert die Göttinger Literaturwissenschaftlerin und Herausgeberin des Bandes, Anna Bers, zum einen Gedichte, die bereits Teil der unterschiedlichsten Kanonbildungen in der Vergangenheit sind, zum anderen literaturgeschichtlich beispielhafte Gedichte sowie drittens solche mit besonderer emanzipatorischer Stärke und viertens Gedichte von Autor*innen aller Geschlechter, die textuell die Sicht einer Frau einnehmen. Sie beginnt dabei mit dem ersten Merseburger Zauberspruch aus dem 9. Jahrhundert und endet mit Barbara Köhlers Überschreibung von Eugen Gomringers Gedicht „Avenidas“, das 2017 eine Debatte über Sexismus in einem Gedicht im öffentlichen Raum auslöste. Sie stellt Lady Bitch Ray neben Texte der diesjährigen Büchner-Preisträgerin Elke Erb und bezieht Ikonen emanzipatorischer und antirassistischer Bewegungen wie die Dichterin May Ayim ein, die bislang in Anthologien deutschsprachiger Dichtung ausgeblendet wurden. „Man kann nur sagen: Wenn die streitbare und offene Haltung, die sich in dieser Edition zeigt, einmal die Signatur unserer Epoche kennzeichnen wird, läuft nicht alles falsch“, so Insa Wilke.

Gefördert von der Wüstenrot Stiftung.

Bilder von der Veranstaltung