Bitternis

Lesung und Gespräch

Joanna Bator

Literarisches Colloquium Berlin
2.11.2023 / 19:30 Uhr

dekorativ
»Guzik z pętelką« – Knopf mit Faden. Nichts gewesen. Pustekuchen. Fehlanzeige. Das ist es, was diese Wendung im Polnischen bedeutet. Einen solchen Knopf mit Faden habe ich auf dem alten deutschen Friedhof gefunden, auf dem mir vor einigen Jahren die Figur aus »Bitternis« begegnet ist, mit der alles begann. Er lag auf dem Boden zwischen nassen Blättern, ein ganz gewöhnlicher schwarzer Knopf mit einem Fadenrest, durch den er einmal mit jemandes Mantel verbunden gewesen war. Für mich ist er heute ein Andenken an ein besonderes Ereignis – an einen Triumph der Phantasie, dem ein Jahr später ein ganzer Roman entsprungen sein sollte. Ich weiß nicht genau, warum ich den Knopf aufhob und in die Tasche steckte, ein winziges Ding, ein Nichts. Doch in der Vorstellung war er noch mit dem Mantel verbunden, den irgendjemand getragen und irgendjemand anders genäht hatte. Und deswegen hängt an dem Knopf die Geschichte eines ganzen Lebens, mitsamt dessen Verbindungen zu vielen anderen Leben.
Joanna Bator

Joanna Bators neuer Roman »Bitternis« (Suhrkamp, aus dem Polnischen übersetzt von Lisa Palmes, 2023) erzählt von weiblichen Lebensentwürfen – und wie sie scheitern. Im drängenden, sarkastischen, an Elfriede Jelinek erinnernden Ton entfaltet die Autorin eine deutsch-polnische Familiengeschichte und das Drama der zornigen Frauen, die ihr Geheimnis durch die Generationen weitergegeben haben. Krieg, Gewalt und privates Unglück brachten die Bitternis hervor, aus deren Bannkreis erst die Jüngste, Kalina, heraustritt, indem sie davon erzählt. Mit Macht fordert sie das Glück ein, das den Frauen ihrer Familie versagt war. Der Abend setzt die ›Souvenir‹-Reihe fort, in der wir mittel- und osteuropäische Autor:innen nach einem ›Souvenir‹ fragen, einem Begleitstück ihres Schreibens, einer materialisierten Erinnerung.

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Veranstalter: Literarisches Colloquium Berlin

Copyright Foto Souvenir: Ekaterina Zershchikova