Radio Nacht | Demut

Lesung und Gespräch

Juri Andruchowytsch, Szczepan Twardoch

Literaturhaus Stuttgart
26.10.2022 / 19:30 Uhr

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Mein Souvenir beginnt schon mit dieser Tasche: Es gibt einen Verlag in Krakau, und der Verlag heißt Austeria und beschäftigt sich ausschließlich mit altgalizischen Thematik und ästhetisiert immer noch diese Welt von Bruno Schulz; der Verlag befindet sich auch in Kasimierz, dem jüdischen Viertel in Krakau. Die Tasche dieses Verlags war eigentlich zufällig, aber da die Tasche nun dabei ist, möchte ich auch das erzählen.
Juri Andruchowytsch
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Mein Souvenir ist diese CD von mir und der Band »Karbido« aus der polnischen Stadt Wrocław mit dem Titel »Lithografien«, sieben Gedichte, die hier als Songs vorgestellt werden. Alle Gedichte kommen eigentlich aus dem alten Galizien, aus meiner Heimatstadt Iwano-Frankiwsk, in der ich auch heute wohne. Der Gedichtzyklus hat den vollen Titel »Die Lithografien aus dem alten Stanislau«. Das alles ist auf Ukrainisch, aber unser Bassist Marek Otwinowski, der nicht nur Musiker ist, sondern auch eine literarische Begabung hat, hat diese sieben Gedichte ins Polnische übersetzt. Als ein zusätzliches Souvenir zu dieser CD gibt es sieben Karten. Auf jeder Karte ist ein Text, ein Gedicht, nur auf Polnisch. Ein Souvenir also, das in sich Literatur und Musik verbindet, und das ist es, was auch mein Roman »Radio Nacht« tut. Es ist besser, die Songs in der Nacht zu hören als am Tag, als Nacht-Radio. Manchmal sind die Lieder laut, aber es soll ein Radio sein für die, die sowieso nie schlafen können.
Juri Andruchowytsch
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Heute erscheint in Polen mein neuester Roman »Chołod«. Ein besonderer Tag für mich, wie der Tag der Geburt eines Kindes. Ich liebe das Segeln, ich liebe das Meer, und genau davon handelt auch das neue Buch: vom Meer, von der Arktis – dieser Ring mit dem Anker, den ich mitgebracht habe, verkörpert das.
Szczepan Twardoch

Zwei Literaturstars aus Mittelosteuropa kommen in der neuen Reihe »Souvenir« miteinander ins Gespräch und bringen je ein Andenken, ein Souvenir mit, das uns zum einen in ihr Schreiben und zum anderen in ihre literarisch- geografischen Räume führt, die für ihre Schreiben elementar wichtig sind.
Juri Andruchowytsch, geboren 1960 in Iwano-Frankiwsk, dem früheren galizischen Stanislau in der Westukraine, ist einer der international bekanntesten Autoren der Ukraine; sein Werk wird weltweit übersetzt. In seinem neuen Roman »Radio Nacht«, übersetzt von Sabine Stöhr, lernen wir den Barrikadenpianist Josip Rotsky kennen. Zu Hause hat er die Revolution unterstützt, in der Emigration verdient er sein Geld als Salonmusiker; er ist ein Mann unklarer Identität, in dessen Name Leo Trotzki, Joseph Brodsky und Joseph Roth anklingen. In einem Schweizer Hotel muss er für den Diktator seines Landes spielen – und wird zum Attentäter. Mit seiner Geliebten Animé und dem Raben Edgar flieht er nach Griechenland. Erst auf der Gefängnisinsel am Null-Meridian ist Schluss. Dort sendet seine »Radio Nacht« rund um die Uhr Musik, Poesie und Geschichten in die sich verfinsternde Welt.
Mit Andruchowytsch spricht der polnische Literaturstar Szczepan Twardoch, dessen neuester Roman »Demut« in diesem Frühjahr in der Übersetzung von Olaf Kühl auf Deutsch erschien. Mit twardochscher Wucht erzählt er vom Weltkrieg und vom umstürzlerischen Berlin mit seinen Kaputten, Geschlagenen und feierwütigen Überlebenden – und von den Umbrüchen, die bald ganz Europa erfassen. Im Jahr 1918 kämpft Alois Pokora eben noch im Weltkrieg, erwacht aber bereits kurze Zeit später im Krankenhaus in Berlin: die Welt ist eine andere, die alte Ordnung zerbrochen. Er gerät in die Berliner Halbwelt, trifft Rosa Luxemburg und flieht nach einer Schießerei nach Schlesien, wo er sich der eigenen Herkunft stellen muss. Twardoch, geboren 1979, gelang mit seinem Roman »Morphin« (2012) der literarische Durchbruch; er lebt mit seiner Familie in Pilchowice, Polen.

Die Reihe »Souvenir« ist ein Projekt des Literaturhaus Stuttgart in Kooperation mit dem Netzwerk der Literaturhäuser, der Bundeszentrale für politische Bildung, mit freundlicher Unterstützung der Ernst Klett AG.

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Veranstalter: Literaturhaus Stuttgart

Copyright Foto Souvenir: Ekaterina Zershchikova