Radio Nacht | Demut

Lesung und Gespräch

Juri Andruchowytsch, Szczepan Twardoch

Literaturhaus Stuttgart
26.10.2022 / 19:30 Uhr

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"Mein Souvenir beginnt schon mit dieser Tasche: Es gibt einen Verlag in Krakau, und der Verlag heißt Austeria und beschäftigt sich ausschließlich mit altgalizischen Thematik und ästhetisiert immer noch diese Welt von Bruno Schulz; der Verlag befindet sich auch in Kasimierz, dem jüdischen Viertel in Krakau. Die Tasche dieses Verlags war eigentlich zufällig, aber da die Tasche nun dabei ist, möchte ich auch das erzählen."
Juri Andruchowytsch
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"Mein eigentliches Souvenir ist diese einfache CD, die ich selbst gebrannt habe. Wie Schnaps kann man auch eine CD brennen. Im Roman finden Sie den QR Code, und wenn Sie diesen Code scannen, bekommen Sie Zugang zu Rotskys Playlist, also alle 15 Musikstücke, die er hier erwähnt und zu diesen Stücken erzählt er seine Geschichten. Als ich den Roman beendete, hatte ich die Playlist fertig, aber war mir unsicher über ein paar fakultative Stücke, ich dachte noch an andere Einspielungen. Diese CD ist also authentisch, einzigartig. Um das besser zu hören, hab ich die Liste auf diese CD kopiert und hörte in bester Tonqualität alles noch einmal von meinem Gerät. Ich habe das nicht kopiert, das ist mein einziges Exemplar. Für mich ist diese CD einzigartig, weil ich hier zum Beispiel eine der Versionen habe der Band ARCHIVE und ich mag ihr Lied, das FUCK YOU heißt. Und diese Version hier kommt von ARCHIVE unplugged, es ist eine rein akustische Version, also mit Klavier, nur Klavier. Aus irgendeinem Grund wollte ich unbedingt diese Version auf meiner Playlist, aber wenn Sie das auf YouTube suchen, wird diese Version immer rausgeschmissen, also aus diesem Grund ist diese CD ziemlich viel wert."
Juri Andruchowytsch
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"Ich habe einen Ring mit Anker mitgebracht, denn in Polen erscheint heute mein neuster Roman „Chołod“; es ist für mich also ein besonderer Tag, wie der Tag der Geburt eines neuen Kindes, und deshalb auch hier der Ring mit einem Anker, denn ich liebe das Segeln, ich liebe das Meer, und das ist hier dargestellt. Und das neue Buch handelt vom Meer, von der Arktis – dieser Ring verkörpert das."
Szczepan Twardoch

Zwei Literaturstars aus Mittelosteuropa kommen in der neuen Reihe "Souvenir" miteinander ins Gespräch und bringen je ein Andenken, ein Souvenir mit, das uns zum einen in ihr Schreiben und zum anderen in ihre literarisch- geografischen Räume führt, die für ihre Schreiben elementar wichtig sind.
Juri Andruchowytsch, geboren 1960 in Iwano-Frankiwsk, dem früheren galizischen Stanislau in der Westukraine, ist einer der international bekanntesten Autoren der Ukraine; sein Werk wird weltweit übersetzt. In seinem neuen Roman "Radio Nacht", übersetzt von Sabine Stöhr, lernen wir den Barrikadenpianist Josip Rotsky kennen. Zu Hause hat er die Revolution unterstützt, in der Emigration verdient er sein Geld als Salonmusiker; er ist ein Mann unklarer Identität, in dessen Name Leo Trotzki, Joseph Brodsky und Joseph Roth anklingen. In einem Schweizer Hotel muss er für den Diktator seines Landes spielen – und wird zum Attentäter. Mit seiner Geliebten Animé und dem Raben Edgar flieht er nach Griechenland. Erst auf der Gefängnisinsel am Null-Meridian ist Schluss. Dort sendet seine "Radio Nacht" rund um die Uhr Musik, Poesie und Geschichten in die sich verfinsternde Welt.
Mit Andruchowytsch spricht der polnische Literaturstar Szczepan Twardoch, dessen neuester Roman "Demut" in diesem Frühjahr in der Übersetzung von Olaf Kühl auf Deutsch erschien. Mit twardochscher Wucht erzählt er vom Weltkrieg und vom umstürzlerischen Berlin mit seinen Kaputten, Geschlagenen und feierwütigen Überlebenden – und von den Umbrüchen, die bald ganz Europa erfassen. Im Jahr 1918 kämpft Alois Pokora eben noch im Weltkrieg, erwacht aber bereits kurze Zeit später im Krankenhaus in Berlin: die Welt ist eine andere, die alte Ordnung zerbrochen. Er gerät in die Berliner Halbwelt, trifft Rosa Luxemburg und flieht nach einer Schießerei nach Schlesien, wo er sich der eigenen Herkunft stellen muss. Twardoch, geboren 1979, gelang mit seinem Roman "Morphin" (2012) der literarische Durchbruch; er lebt mit seiner Familie in Pilchowice, Polen.

Die Reihe "Souvenir" ist ein Projekt des Literaturhaus Stuttgart in Kooperation mit dem Netzwerk der Literaturhäuser, der Bundeszentrale für politische Bildung, mit freundlicher Unterstützung der Ernst Klett AG.

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Veranstalter: Literaturhaus Stuttgart

Copyright Foto Souvenir: Ekaterina Zershchikova