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7.3.2019

Lothar Müller, Katharina Adler: Freuds Dinge + Ida

Freudianische Stunden im Literaturhaus

Veranstaltungsdaten

19.00 Uhr: Freuds Dinge - Von Apollokerzen bis Zylinder
Lothar Müller
Wer sich in die Fallgeschichten Sigmund Freuds vertieft, der versteht: Das nebenher Gesagte, das belanglose Detail ist das Entscheidende. Da taucht zum Beispiel die »Apollokerze« auf: industriell gefertigte Stearin-Kerzen, die reißenden Absatz fanden, weil ihr Docht nicht nachgeschnitten werden musste. Und: Sie bevölkern das Unbewusste, kommen auf Freuds Couch zur Sprache. Die Psychoanalyse ist eine archäologische Unternehmung, sie gräbt im Unbewussten, aber sie gräbt nicht Rom aus, sondern ist vor allem in ihrer Zeitgeschichte verankert. Und das Unbewusste von Freuds Patienten war bevölkert mit den Requisiten des bürgerlichen Alltags und Interieurs. So sind Freuds Schriften nicht nur eine Aufdeckung des Verdrängten oder Verdichteten, sondern zugleich ein Kompendium der Dingwelt des 19. Jahrhunderts. Während der Psychoanalytiker in die Tiefen des Unbewussten hinabsteigt, fragt der Literaturredakteur der Süddeutschen Zeitung, Lothar Müller, in seinem neuen Buch „Freuds Dinge“, mit welchen sprachlichen und intellektuellen Operationen Freud das Unbewusste erst herstellt und achtet besonders darauf auf, welche Rolle dabei die Dinge spielen. Blättern wir mit ihm das Kompendium auf!

Kurze Pause

20.30 Uhr: Ida
Katharina Adler
Nach Freuds Dingwelt nähern wir uns der wohl bekanntesten Patientin Freuds: Dora, das jüdische Mädchen mit der "petite hystérie" und einer äußerst verschlungenen Familiengeschichte. Dora, die kaum achtzehn war, als sie es wagte, ihre Kur bei Sigmund Freud vorzeitig zu beenden. Für Katharina Adler war die widerständige Patientin lange nicht mehr als eine Familien-Anekdote: ihre Urgroßmutter, die – nicht unter ihrem wirklichen Namen und auch nicht für eine besondere Leistung – zu Nachruhm kam, und dabei mal zum Opfer, mal zur Heldin stilisiert wurde. „Nach und nach wuchs in mir der Wunsch, dieses Bild von ihr zu ergänzen, ihm aber auch etwas entgegenzusetzen. Ich wollte eine Frau zeigen, die man nicht als lebenslängliche Hysterikerin abtun oder pauschal als Heldin instrumentalisieren kann. Eine Frau, die trotz aller Widrigkeiten bis zuletzt um ein selbstbestimmtes Leben ringt.“ Katharina Adler erzählt die Geschichte einer Frau zwischen Welt- und Nervenkriegen, Exil und Erinnerung, eine Geschichte, in die sich ein halbes Jahrhundert mit seinen Verwerfungen eingeschrieben hat und das – mit Freuds Praxistür im Rücken – erst seinen Anfang nahm. Katharina Adler wurde 1980 in München geboren, wo sie nach Stationen in Leipzig und Berlin heute wieder lebt.

In Zusammenarbeit mit der Klinik für Spezielle Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie / Klinikum Stuttgart.

Bilder von der Veranstaltung