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15.9.11.12.2020

Comicbuchpreis 2020

Veranstaltungsdaten

Für den Comicbuchpreis 2020 hatten sich 83 Autoren und Zeichner aus Deutschland, Österreich, Argentinien und der Schweiz beworben. Der Comicbuchpreis der Berthold Leibinger Stiftung wird seit 2014 jährlich ausgeschrieben. Er wird in Stuttgart für einen hervorragenden, unveröffentlichten, deutschsprachigen Comic vergeben, dessen Fertigstellung absehbar ist.

Preisträger 2020: Max Baitinger

"Mit „Sibylla“ zeigt Max Baitinger, wie frisch und leichtfüßig ein biografischer Comic daherkommen kann. Gewitzt und gekonnt beginnt er ein Erzählgerüst aus verschiedenen Ebenen zu konstruieren, das von bemerkenswerter grafischer Stärke zeugt." 
- Barbara Buchholz -


Eine Greifswalder Barockdichterin aus dem 17. Jahrhundert? Nur wenigen dürfte der Name Sibylla Schwarz bislang bekannt sein. Nun widmet sich ein Funken schlagender Comic dieser außergewöhnlichen Lyrikerin: Max Baitinger ist mit seinem Band Sibylla Preisträger des Comicbuchpreises der Berthold Leibinger Stiftung 2020. Findet die Preisverleihung erst am Sonntag, den 18.11., um 18 Uhr im Literaturhaus Stuttgart statt, so kann die dazugehörige Comic-Ausstellung schon ab 15.9. besucht werden. Max Baitinger greift in seinem Band die Geschichte von Sibylla Schwarz auf, spielt dabei mit verschiedenen Text- und Zeitebenen und bricht so hintergründig die lineare Biografie der viel zu früh verstorbenen Lyrikerin. Dabei setzt er sich mit der Lebenswirklichkeit des Dreißigjährigen Krieges, mit Vertreibung und Exil, Sittenlehre, Geschlechterverhältnissen und religiösen Bekenntnissen auseinander.

VIDEO

Max Baitinger

Max Baitinger arbeitet als freischaffender Illustrator in Leipzig, vertreibt eigene Zines und Drucke seiner Arbeiten und veranstaltet mit befreundeten Kolleg*innen den Millionaires Club, das Leipziger Comic- und Grafik-Festival.

www.maxbaitinger.com

Finalist*innen 2020

Neben dem Preisträger würdigt die Jury außerdem neun Finalistenarbeiten. Die so ausgewählten Künstler erhalten bei der Preisverleihung jeweils 2000 Euro.

Anke Feuchtenberger

Ein deutsches Tier im deutschen Wald

"Wenn eine Künstlerin wie Anke Feuchtenberger seit Jahren ein umfangreiches Comicprojekt betreibt und darin alle Formen, mit denen sie das Metier bereits bereichert hat, nicht nur noch einmal aufnimmt, sondern weiterentwickelt und aufeinander abstimmt, dann befindet sich ein Meisterwerk im Entstehen. "Ein deutsches Tier im deutschen Wald" heißt die auf mehr als 250 Seiten angelegte, in einem ostdeutschen Dorf angesiedelte Geschichte, deren Zeitraum die zweite Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts umfasst. Die aus Feuchtenbergers Schaffen vertraute verstörende Körperlichkeit und Verwundbarkeit werden hier auf die Spitze getrieben, und zugleich erreicht die Schwarzweißgraphik einen neuen Höhepunkt an Expressivität. Niemand sonst erzählt wie Anke Feuchtenberger, keiner kann sich dem Sog dieses Comics entziehen."
- Andreas Platthaus -

Anke Feuchtenberger

Seit fast 30 Jahren als Comiczeichnerin tätig. Erste Veröffentlichungen in den 90er Jahren. Zuvor Studium an der Kunsthochschule Berlin. Seit 1997 lehrt sie als Professorin für Illustration in Hamburg und arbeitet auch als Verlegerin.
www.ankefeuchtenberger.de

 

Jul Gordon

Route wird neu berechnet

"Das Thema sei da, erklärt die Künstlerin in ihrem Exposé, ein Gerüst ebenfalls erstellt, die Art der Zeichnung und Erzählung vorsichtig festgelegt... alles andere werde im Weiterarbeiten an dieser Geschichte einer Realitätsverschiebung (eines Realitätsverlusts?) weiter an Konturschärfe gewinnen. In diesen Zeichnerinnen-Händen wirkt das wie ein höchst verheißungsvolles Comic-Abenteuer. Mit den Seiten, die von dem Projekt bereits vorliegen, öffnet sich eine Tür in ein eher alltägliches Universum, das gleichzeitig seltsam opak daherkommt. Das macht wach und neugierig, und kurze Überblicke über nächste Kapitel verführen gerade auch in ihrer klaren Unbestimmtheit."
- Brigitte Helbling -

Jul Gordon

Jahrgang 1982, studierte von 2003 bis 2008 an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften im Fachbereich Illustration (bei Anke Feuchtenberger). Arbeitet seitdem als freiberufliche Illustratorin, Eigenproduktionen erscheinen in kleiner Auflage. Jul Gordon lebt in Hamburg.
www.julgordon.de

Stefan Haller

Schattenmutter

"Die Mutter des Zeichners Stefan Haller (*1972) litt an einer ungeklärten psychischen Krankheit (Depression? Bipolare Störung? Schizophrenie?), die seine Kindheit überschattete, ohne dass darüber gesprochen wurde. Fünf Jahre nach ihrem Tod begann er die Geschichte in diesem Comic zu verarbeiten: nachdenklich, ohne Vorwurf, ohne Wehleidigkeit, sehr genau. Er stellt seine Befindlichkeit nicht in den Mittelpunkt, sondern erfasst den Mikrokosmos der ganzen Familie, die, jeder auf eigene Weise, von der Krankheit der Mutter geprägt war: deren Unruhe, Übermüdung, Überreizung, Nervenschwäche, emotionalem Rückzug. Behutsam neugierig treibt der Autor seine Forschung voran. Es gibt keine fortlaufende Story, sondern Gespräche, Erinnerungen, auch das (authentische) Tagebuch der Mutter wird so einfühlsam wie schonungslos bebildert. Wenige Episoden, insbesondere die Tagebucherzählungen der Mutter, sind in Frames gefasst, meistens bewegen sich die Figuren wie suchend über das weiße Papier, der Hintergrund ist – wenn überhaupt – mit wenigen Strichen skizziert. Die Zeichnungen wirken einfach, fast naiv. Aber man spürt auf jeder Seite die Notwendigkeit dieser Kunst."
- Petra Morsbach -

Stefan Haller

1972 geboren, macht sich nach einer klassischen Grafikerlehre 1998 im Bereich Grafik+Illustration selbständig. Von 2001–2003 Herausgeber und Autor der Satirezeitung Schpoiz. Ab 2000 Pseudonym „Schlorian“ für Comics und andere illustrative Arbeiten. Lebt in Zürich.
www.stefanhaller.ch

Nienke Klöffer

Das Zeitalter der Fische

"Es kommen kalte Zeiten, das Zeitalter der Fische. Da wird die Seele des Menschen unbeweglich wie das Antlitz eines Fisches“, sagt der abgestürzte Altphilologe zum Ich-Erzähler in Ödön von Horváths Roman „Jugend ohne Gott“ von 1937. Gemeint ist die von Zeitgeist, Revanchismus und Nazi-Propaganda verrohte Jugend des „Dritten Reiches“ vor dem Krieg, und in eben der Zeit lässt die Zeichnerin, 1988 in Karlsruhe geboren, ihre Comic-Adaption auch spielen. Sie hat die Handlung klug verdichtet. Es sind kraftvolle Schwarzweiß-Zeichnungen, überlegt arrangiert, mit einem nicht virtuosen, aber beseelten Strich. Überzeugend die Atmosphäre von Aggressivität, Pubertät, Verblödung und Sehnsucht, individuell und intensiv das Porträt des ohnmächtigen Lehrers mit seinen erotischen, politischen und transzendentalen Nöten, sogar Horváths humane Verzweiflung überträgt sich. Eine verblüffende Leistung einer jungen Künstlerin, die ein halbes Jahrhundert nach dem Roman unter ganz anderen Verhältnissen zur Welt kam."
- Petra Morsbach -

Nienke Klöffer

1988 in Karlsruhe geboren, studierte in Pforzheim, Südafrika und Brüssel (Master of Arts in Comic Art & Illustration). Arbeitet seit 2015 als selbständige Comiczeichnerin und veröffentlicht unter dem Namen Nienke Ka.Boom.
www.nienkekaboom.com

Nicolas Mahler

Ulysses

"Die Kreativkraft hinter dieser Comicversion von James Joyces „Ulysses“ macht sich nicht zum ersten Mal daran, üppige Weltliteratur in erstaunlich zurückgenommene Bilder-Epen überzuführen. Hier nun interessierte der etwas andere Ansatz, der (zum Beispiel) Nachrichten aus einem Wiener Weltblatt mit dem Flanieren und Schreiben eines langnasigen, behuteten Herrn verrührt. Die Frage, wo wird das alles hinführen? scheint dann in aufregend unabsehbare Richtungen zu gehen. Das wiederum wirkt der Vorlage ganz und gar angemessen – mit oder ohne Schere und Altpapier. Was aber wird wohl – falls überhaupt –später aus den „Ja“s von Molly Bloom? Wir sind gespannt."
- Brigitte Helbling -

Nicolas Mahler

Der Comiczeichner (Jahrgang 1969, Wien) arbeitet für deutschsprachige Zeitungen und Zeitschriften, hat über 20 Bücher veröffentlicht. Seine Comics wurden Vorlagen für Kurzfilme oder Marionetten-Theaterstücke. Mitbegründer des „Kabinetts für Wort und Bild“ im Wiener Museumsquartier.
www.mahlermuseum.com

Eva Müller

Arbeit ist das (halbe) Leben

"Der Comic erzählt die Geschichte einer Arbeiterfamilie über drei Generationen. In Erinnerungen, detaillierten Milieu- und Alltagskulturbeschreibungen legt Eva Müller frei, wie Armut, Herkunft und Milieu genau das formen, was der französische Soziologe Pierre Bourdieu als Habitus beschreibt. Wie stark dieser wiederum die eigene Selbstwahrnehmung und Denkhaltung prägt und über Generationen hinweg Menschen formt, die auch in Zukunft die eigene Klasse, das eigene Milieu eher nicht in Frage stellen, zeigt die Autorin an ihrem eigenen Werdegang. Im Verlassen des Herkunftsmilieus, in der Selbstdistanzierung analysiert Eva Müller Strukturprinzipien. In klaren, kraftvollen, eindrücklichen Bildern und pointierten Dialogen beschreibt sie ihre eigene bemerkenswerte Emanzipation als Künstlerin, erzählt von Rissen und Brüchen, wie von Ängsten und Selbstinfragestellungen, die unabhängig von ihrem Erfolg bis heute nicht von ihrer Seite weichen."
- Stefanie Stegmann - 

Eva Müller

1981 in Süddeutschland geboren, Abschluss Diplom- Studium Sozialarbeit in Koblenz im Jahr 2003, danach Studium Illustration an der HAW Hamburg. Erste Veröffentlichungen 2014, schon zuvor Teilnahme an internationalen Ausstellungen. Eva Müller lebt in Hamburg.
www.evamueller.org

Lena Steffinger

Sommer

"In ihrem Projekt „Sommer“ behandelt die gebürtige Stuttgarterin Lena Steffinger die Veränderungen von Freundschaft in zwei Dreierkonstellationen. Eindrucksvoll, aber unaufdringlich thematisiert sie die Parallelität persönlicher Erinnerungen und enttäuschter Gefühle, von Vertrauen und Misstrauen in behutsam formulierten Texten und lyrischen Bildern. Dabei werden gleichzeitig die Möglichkeiten des Comics bis an seine Gattungsgrenzen ausgelotet."
-  Frank Druffner -

Lena Steffinger

ist in Stuttgart geboren. Die studierte Psychologin (MSc) schloss nach ihrem Abschluss ein Studium der Illustration in Bologna und Hamburg an (BA). Sie lebt als Illustratorin von Kinder-und Sachbüchern in Hamburg, veröffentlicht Graphic Novels und Comics.
www.lenasteffinger.de

Jochen Voit und Sophia Hirsch

Ernst Busch - der letzte Prolet

"Jochen Voit legt der Jury mit „Ernst Busch, der letzte Prolet“ ein umfassendes, präzis recherchiertes Szenario vor. Dazu passen die farblich zurückhaltenden Zeichnungen von Sophia Hirsch. Ernst Busch, eine wichtige historische Figur Deutschlands und Idol der Linken im 20. Jahrhundert, als alten, verbitterten Greis darzustellen und dazu in Rückblenden sein Leben zu erzählen, hat uns überzeugt." 
- David Basler -

Jochen Voit

Der Historiker Jochen Voit (1972) promovierte zu Ernst Busch, ist Autor und Ausstellungskurator und hält Lehrveranstaltungen im Bereich Public History an der Universität Erfurt.
 

Sophia Hirsch

Sophia Hirsch (geboren 1987) studierte bis 2012 Malerei in Berlin und Jerusalem, legte 2016 ihren Master in Illustration in Halle ab. Sie arbeitet in den Bereichen Illustration, Malerei, Wandmalerei und Comic.
www.sophia-hirsch.de

Nacha Vollenweider

Zurück in die Heimat

"Nacha Vollenweiders autobiographische Comicerzählung beginnt und endet mit einem Spaziergang durch das argentinische Córdoba, der Heimatstadt der Autorin. Dazwischen kommt vieles zu Tage: die Eheschließung mit ihrer Partnerin in Hamburg, die Trennung in Brasilien, die Rückkehr nach Argentinien. Nacha Vollenweiders Bildsprache ist klar und plakativ, kann ihre Ruhe aber jederzeit verlieren - etwa im mehrseitigen Zoom auf den drohungsgeladenen Mund der Hamburger Standesbeamtin oder im Rückgriff auf Farbe, wenn die Umweltzerstörungen des Lithium-Abbaus im Nordwesten Argentiniens, notwendig für unsere umweltfreundlichen Elektroautos, ins Auge gefasst werden."
- Florian Höllerer - 

Nacha Vollenweider

1983 in Rio Cuarto (Argentinien) geboren, machte 2011 ihren Abschluss in Malerei an der Universidad Nacional de Córdoba. 2013 Stipendiatin in Hamburg  (bei Prof. Anke Feuchtenberger ), anschließend ebenfalls in Hamburg Masterstudium mit  Schwerpunkt Illustration und Comics.
www.nacha-vollenweider.de