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4.4.2019

Tanja Maljartschuk, Zanna Sloniowska: Zerrspiegel. Erinnerungsbilder

Veranstaltungsdaten

Denn die Politik tritt in dein Leben, auch wenn du dich nicht für sie interessierst: Der Krieg kommt in dein Dorf.

Serhij Zhadan

„Blauwal der Erinnerung“ heißt der neue Roman der Ingeborg-Bachmann-Preisträgerin und ukrainischen Schriftstellerin Tanja Maljartschuk über einen vergessenen ukrainischen Volkshelden, dessen Leben auf kunstvolle Weise mit dem der Ich-Erzählerin verknüpft wird: Eine Frau verlasst geplagt von Panikattacken monatelang ihre Wohnung nicht und findet schließlich Halt in einer historischen ukrainischen Figur, in Wjatscheslaw Lypynskyj. Der leidenschaftliche Geschichtsphilosoph und Politiker befasste sich mit der zwischen Polen und Russland zerrissenen Ukraine. Ähnlich kränklich und auf der Suche nach Zugehörigkeit folgt die Erzählerin diesem kompromisslosen Mann. Die ukrainisch-polnische Autorin Żanna Słoniowska nimmt uns in ihrem Roman „Das Licht der Frauen“ wiederum mit nach Lemberg, in ein Haus mit vier starken Frauen aus vier Generationen, die zwischen Zuneigung und Ablehnung doch verbunden sind in ihrem Freiheitsdrang und ihrer Aufsässigkeit. Bis zu dem Tag, an dem eine der Frauen, Marianna, auf offener Straße erschossen wird. Vom Fenster aus beobachtet ihre Tochter, wie sich der Trauerzug zu einer Demonstration auswächst. Tanja Maljartschuk wurde 1983 in Iwano-Frankiwsk, Ukraine, geboren. 2009 erschien auf Deutsch ihr Erzählband „Neunprozentiger Haushaltsessig“, 2013 ihr Roman „Biografie eines zufälligen Wunders“ und 2014 „Von Hasen und anderen Europäern“. 2018 erhielt sie für den Text „Frösche im Meer“ in Klagenfurt den Ingeborg-Bachmann-Preis. Maljartschuk schreibt regelmäßig Kolumnen für die Deutsche Welle (Ukraine) und für Zeit Online und lebt seit 2011 in Wien. Żanna Słoniowska wurde 1978 in Lwiw (Lemberg), Ukraine, geboren und arbeitet als ukrainisch-polnische Schriftstellerin, Journalistin und Übersetzerin. Sie studierte Buchdruck in Lwiw, arbeitete für das Fernsehen. Heute lebt sie in Krakau. „Das Licht der Frauen“ wurde von Olaf Kühl aus dem Polnischen ins Deutsche übertragen.

Gefördert von der Bundeszentrale für politische Bildung

Reihe: „Etwas in der Sprache ging kaputt, knackte wie das Eis auf dem Stausee im März.“
Ukraine & Russland. Literaturen, Politiken und Perspektiven

Lesungen und Gespräche | April – Juli 2019

„Denn die Politik tritt in dein Leben, auch wenn du dich nicht für sie interessierst: Der Krieg kommt in
dein Dorf.“ Serhij Zhadan

Vor fünf Jahren hat das Stuttgarter Literaturhaus die friedlichen Proteste auf dem Kiewer Maidan und die eskalierende Entwicklung nur wenige Monate später zum Anlass seiner literarischen Reihe „Rebellen“ genommen, in der Literatur als Visionsraum in Prozessen gesellschaftlichen Umbruchs befragt wurde. In der Zwischenzeit wurde die Krim von Russland annektiert und in der Ostukraine begann ein blutiger Krieg mit Millionen Binnenflüchtlingen und vielen getöteten Menschen, ohne Aussicht auf ein baldiges Ende. In einer Politik der Verunsicherung und in einem Klima tiefgreifenden Misstrauens wurden und werden in Russland Künstler und Intellektuelle unter Druck gesetzt. Wir haben es mit einem Krieg in Europa zu tun, der nach einer kurzen Phase medialer Aufmerksamkeit nur allzu rasch wieder aus dem Blickfeld geriet. Zugleich haben wir es in nahezu allen europäischen Ländern mit dem Erstarken des Rechtspopulismus’ zu tun, mit der Aushöhlung von Demokratie. Wichtige Scharnierstelle in dieser Gemengelage ist die Sprache, sind die Worte. Literatur bildet einen Ort der Mehrdeutigkeiten, die wir im alltäglichen Schlagabtausch oftmals nicht auszuhalten bereit sind.

„Etwas in der Sprache ging kaputt, knackte wie das Eis auf dem Stausee im März und würde jeden Moment in unzählige schwere, scharfe Stücke brechen“, schreibt Serhij Zhadan in seinem jüngsten Roman „Internat“, für den er 2018 mit dem Preis der Leipziger Buchmesse in der Kategorie Übersetzung ausgezeichnet wurde. Das Knacken des Eises, die schweren scharfen brechenden Stücke aus Zhadans Literatur setzen wir in dieser neuen Veranstaltungsreihe im Stuttgarter Literaturhaus in einen politischen und gesellschaftlichen Resonanzraum. Denn: Unter dem Eis auf dem Stausee im März wartet Leben.

Bilder von der Veranstaltung

Veranstaltungen der Reihe ""Etwas in der Sprache ging kaputt, knackte wie das Eis auf dem Stausee im März." Ukraine & Russland. Literaturen, Politiken und Perspektiven"