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8.5.2018

Ute Frevert, Rahel Jaeggi: Scham

Veranstaltungsdaten

NEUE REIHE
I am not. Feminismus in Literatur, Kultur und Gesellschaft

Über die Rede vom "Back-Lash" in unserer Gesellschaft, der Rückorientierung an traditionellen Frauen- und Männerbildern, legte sich vor einigen Monaten die Harvey-Weinstein-Affaire und die anschließende Bewegung unter dem Hashtag #MeToo und machte sexuelle Übergriffe und sexuellen Machtmissbrauch aber auch allgemeinere Fragen zum Verhältnis der Geschlechter quasi weltweit zum Thema. Dieses durch viele Kontinuitäten und Brüche gekennzeichnete Verhältnis stellt das Literaturhaus Stuttgart in seiner Veranstaltungsreihe "I am not" zur Diskussion. Statt wieder neu danach zu fragen, wie wir unsere Identität definieren, nähern wir uns über die reich gefüllten Vorratskammern des Nicht-seins oder Nicht-sein-Wollens und versuchen, lederne Identitätshäute und geschlechterbezogene traditionelle Zuschreibungen (wieder) durchlässiger zu machen. In diesen Kammern des Nicht-seins von Mann und Frau lagern Begriffsteams wie Arbeit und Familie; Kreativität, Leistung und Geschlecht; Sexualität und Körper; Politik und Gefühl – und andere. Wir greifen zu und fragen danach, was wir auf den kleinen Bühnen des Alltags ebenso wie auf den großen Bühnen der Welt aufzugeben drohen, worum es sich zu kämpfen, zu streiten lohnt und wie das Nicht-Sein-Wollen zum Glänzen gebracht werden kann. Und hier schlägt die Literatur, Geschichte und Philosophie ihre Widerhaken ein. Denn die Künste, allen voran die Literatur hat die Kraft für Widerspenstigkeiten.

Gefördert von der Baden-Württemberg Stiftung | Literatursommer 2018, in Zusammenarbeit mit der Heinrich Böll Stiftung Baden-Württemberg sowie FrideL und dem Fachbereich Neuere deutsche Literatur der Universität Stuttgart

Beschämung und Demütigung sind Machtausübungen, die an einem hochsensiblem Punkt in uns ansetzen: in unserer Scham. Und diese verläuft seit Jahrhunderten entlang der Geschlechtergrenzen. Schamhaftigkeit wurde bereits im Mittelalter als weibliche Tugend klassifiziert und Schande ungleich häufiger sexuell weiblich konnotiert als männlich, Feigheit indes war hochgradig schambesetzt an Männlichkeit gebunden. Der Demütigung und Scham wohnt das leidvolle Wissen um die Macht des öffentlichen Blicks, des Gegenübers inne; stand der Pranger einst auf dem Marktplatz, steht er heute im Internet, so Ute Frevert. Die Direktorin des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung stellt in ihrem scharfsinnigen Buch "Die Politik der Demütigung" in Rechnung, dass die Macht zu demütigen und zu beschämen einst von der Staatsgewalt ausging, diese heute aber an die Gesellschaft und die Medien übergegangen ist. Mit ihr ins Gespräch kommt die profilierte Professorin für Philosophie, Rahel Jaeggi, die in ihrem Buch "Lebensformen" nach der Bedeutung der Gesellschaft für unser Zusammenleben fragt, Lebensformen als Ensemble sozialer Praktiken fasst, die eben nicht (nur) Privatsache seien, sondern über die wir und um die wir streiten müssen.

Außer Haus! VINUM im Literaturhaus

Nächster Termin: 18.6. * Blutsbande * Christina von Braun und Antje Rávic Strubel

Bilder von der Veranstaltung

Copyright Fotos: Simon Adolphi

Veranstaltungen der Reihe "I am not. Feminismus in Literatur, Kultur und Gesellschaft"